Vortrag Dr Hardy Landolt

Fragen & Antworten zum Vortrag

 

Wie wurde dieser 25-Jahr-Wert bestimmt?

Ich gehe davon aus, dass mit dem 25-Jahr-Wert der Beginn der eigenen Haushaltskarriere gemeint ist. Die maßgeblichen Tabellen weisen die Hausarbeitstätigkeit bereits ab einem früheren Lebensalter aus, gleichwohl hat sich die Praxis dazu bekannt, einen Hausarbeitsschaden erst ab Alter 25 anzuerkennen. Der Grund dürfte darin liegen, dass die elterliche Unterhaltspflicht – mit wenigen Ausnahmen – mit Erreichen des 25. Altersjahrs endet. Diese Gleichsetzung hat den Vorteil der Klarheit, hat aber für geschädigte Personen, die tatsächlich vor dem 25. Altersjahr bereits einen eigenen Haushalt geführt haben, eine Benachteiligung zur Folge. In der Praxis sind diese Fälle aber selten. Ich gehe davon aus, dass in einem konkreten Fall, in welchem die geschädigte Person im Verletzungszeitpunkt bereits einen eigenen Haushalt geführt hat und dabei noch nicht 25-jährig gewesen ist, im Zusammenhang mit der Berechnung des aufgelaufenen Schadens auch ein Hausarbeitsschaden akzeptiert würde. Bei kleinen Kindern, bei welchen der tatsächliche Beginn des eigenen Haushaltes nicht klar ist, macht es Sinn, ab dem 25. Altersjahr den Schaden beginnen zu lassen, weil zu diesem Zeitpunkt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die geschädigte Person auch tatsächlich einen eigenen Haushalt gehabt hätte. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht in einem Entscheid, welcher ein pflegebedürftiges Kind betraf, dass als Folge des haftungsbegründenden Ereignisses diesen Zustand versetzt wurde, annahm, die geschädigte Person hätte spätestens mit Erreichen des 30. Altersjahres einen eigenen Haushalt begründet. Es ist nicht einzusehen, warum bei schwerst geschädigten Personen, welche ohne fremde Hilfe keinen eigenen Haushalt begründen können, der Hausarbeitsschaden erst in einem späteren Zeitpunkt beginnen soll. Diesbezüglich handelt es sich wohl um eine verfassungswidrige Diskriminierung als Folge einer Behinderung (Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung).

 

Gibt es Bestrebungen, die Weber-Werte/Tabellen auszubauen?

Das Bundesamt für Statistik hat nichts verlauten lassen, dass der bisherige Dreijahresturnus abgeändert werden soll. Es wird deshalb auch in Zukunft so sein, dass alle drei Jahre neue Tabellenwerte verfügbar sind. Ob im Zusammenhang der Erhebung der Daten eine Verfeinerung erfolgen wird, ist mir unbekannt. Die statistischen Werte werden in der Folge von Stephan Weber und seinem Team aufgearbeitet. Wie im mündlichen Vortrag – nicht aber im schriftlichen Beitrag – ausgeführt, hat Stephan Weber unlängst einen Vorschlag gemacht, wie der Hausarbeitsschaden im Falle einer Tötung (korrekter) berechnet werden soll. Er hat dabei die statistischen Werte gemäß der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und der Haushaltsbudgeterhebung (HABE – https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/einkommen-verbrauch-vermoegen/haushaltsbudget.html) herangezogen, um den Dienstleistungs- und Geldausfall zu berechnen. Beim Versorgungsausfallschaden der hinterbliebenen Personen bestet die Problematik darin, dass einerseits die Versorgungsbedürfnisse der getöteten Person wegfallen und dieser Wegfall im Rahmen der Vorteilsanrechnung berücksichtigt werden muss und andererseits trotz des Wegfalls der Versorgungsbedürfnisse der getöteten Person die fixen Ausgaben und die hauswirtschaftliche Grundversorgung, welche unabhängig von der Anzahl der Personen, welche in einem Haushalt leben, weiterhin zu bestreiten sind. Bis anhin wurden in diesem Zusammenhang Versorgungsquoten verwendet, welche einer kritischen Beurteilung – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der statistischen Erfahrungswerte – nicht mehr standhalten. Es ist deshalb zu hoffen, dass sich die Praxis auch diesbezüglich auf einheitliche Berechnungsgrundsätze einigen wird.

 

Meiner Meinung nach bedarf es verbindlich festgelegter Grundlagen in Form einheitlich verwendeter Tabellen sowie eines darauf basierenden Berechnungsprogramms, um vertretbare Lösungen zu erhalten. Ein m.E. nachahmenswertes Modell.

Neben Klarheit hinsichtlich der anwendbaren Haftungsgrundsätze ist auch Klarheit mit Bezug auf die Berechnung des Schadens zwingend notwendig, ansonsten in der Praxis doppelte Unsicherheiten bestehen. Da es sich beim Hausarbeitsschaden regelmäßig um einen Dauerschaden handelt und die hauswirtschaftlichen Versorgungsverhältnisse sich je nach Lebensumständen verändern können, ist es zwingend notwendig, für die Berechnung auf statistisch basierte Tabellenwerte zurückgreifen zu können, um die zu vergütenden Stunden der durch die erlittene Verletzung beeinträchtigten Hausarbeitsfähigkeit monetär berechnen zu können. Vor diesem Hintergrund ist das schweizerische Modell sicher nachahmenswert. Wenn es dafür sogar noch ein Berechnungsprogramm gibt, ist das umso angenehmer. Gewiss kostet das fragliche Berechnungsprogramm den Anwender jährliche Lizenzgebühren, die aber vertretbar sind, wenn die fragliche Software regelmäßigen Einsatz ist und die Kosten im Rahmen des Anwaltshonorars weiterverrechnet werden können. Wie im Rahmen des Vortrages – nicht aber im schriftlichen Beitrag – ausgeführt wurde, besteht aktuell zwar Klarheit in Bezug auf die Berechnungsgrundsätze des Hausarbeitsschadens von verletzten Personen, nicht aber im Fall der Tötung. Es ist zu hoffen, dass sich die schweizerische Praxis auch diesbezüglich auf verbindliche Berechnungsgrundsätze in absehbarer Zeit einigen wird. Die neuen Berechnungsvorschläge von Stephan Weber scheinen mir diesbezüglich richtig zu sein.

 

Sehr positiv waren die offenen Worte zu Schwachstellen oder Problematik im Alltag. Diese Art von Abrundung oder besser gesagt von „Horizontveränderung und Ideenanstoß“ ist ein positives + beibehaltenswertes Alleinstellungsmerkmal der Fachtagung, auch wenn ich jetzt keinen konkreten Diskussionspunkt benennen kann. Erfahrungen aus dem Regressalltag würden den Fokus auf das Modellhafte, das Abstrakte/Geschätzte und so manche Vereinfachung legen – häufig misslingt der Versuch, ein möglichst exaktes (und hohes) Betragsergebnis zu erzielen.

Wenn klare Grundsätze hinsichtlich der Haftung und der Berechnung bestehen, erleichtert dies die Praxis. Die Problematik der Tabellenwerte äussert sich in der Praxis darin, dass in den Fällen, in welchen die geschädigte Person teilerwerbstätig gewesen ist und ein sehr tiefes Erwerbseinkommen erzielt hat, im Zusammenhang mit der Berechnung des Hausarbeitsschadens, der regelmässig höher ist als der Erwerbsausfallschaden, eingewendet wird, dass die Tabellenwerte unrichtig seien, da die fragliche Person, wäre sie vollumfänglich erwerbstätig gewesen, einen geringeren Schadenersatz erhalten hätte. Es könne wohl nicht sein, dass eine geschädigte Person, nur weil sie mir im Haushalt gearbeitet habe, mehr Schadenersatz erhalte. Anlässlich einer früheren Fachtagung – in der Schweiz Personen-Schaden-Forum genannt – wurde in diesem Zusammenhang bereits darüber debattiert, ob es nicht eine sinnvolle Vereinfachung wäre, den Erwerbsausfall- und den Hausarbeitsschaden als einen einheitlichen Arbeitsausfallschaden zu verstehen. Diese Lösung hätte die Vorteile der Einfachheit und Klarheit, würde aber dazu führen, dass Personen gleichen Alters und gleichen Geschlechts mit demselben Stundenansatz und demselben Arbeitspensum bedacht würden. Hier beginnt natürlich die Schadenersatzphilosophie: Ist es gerecht, dass eine Person, die zu gesunden Zeiten mehr verdient hat, einen höheren Schadenersatz erhält als eine Person, die zu gesunden Zeiten (freiwillig oder schicksalhaft) weniger verdient hat, vielleicht aber in der Zukunft mehr verdient hätte? Ergänzend stellt sich für den Schadenersatzphilosophen auch die Frage, ob es gerechtfertigt ist, dass Männer und Frauen gleichen Alters einen unterschiedlich hohen Schadenersatz erhalten. Das wäre vielleicht einmal ein Thema für eine andere Fachtagung, um diese mit einer «fremden» Materie zu bereichern, welche zu Denkanstössen Anlass gibt. Die unausgesprochenen Axiome der Schadenersatzphilosophie oder die im Rahmen der Schadenersatzpraxis nicht beachteten Verfassungsgrundsätze gäben sicherlich einiges für eine hitzige Diskussion her.